Wie messen wir heute die Bewerberqualität?

Jannis Tsalikis ist Personalleiter (GM HR) bei Lautsprecher Teufel. Zuvor war er bei VICE Media, MSL Germany (Publicis Groupe - HR Director und Senior Consultant Brand & Talent), Scholz & Friends und BBDO. Er ist Mit-Gründer des Forums für innovative Personalarbeit e.V. (FIP) und - zusammen mit Christoph Athanas - Ausrichter des ersten BarCamps für Personaler. Er bloggt seit 2009 auf „Mein Freund die Arbeitgebermarke“ zu Themen wie Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting im Web 2.0 und war mit Henner Knabenreich Initiator und Organisator der goldenen Runkelrübe (Award für herausragend schlechtes Personalmarketing). Last but not least konnte er den Recruiter Slam 2016 erringen, war 2012 für den HR Excellence Award nominiert, konnte 2017 mit VICE Media den Personalmanagement Award gewinnen und war 2018 erneut beim HR Excellence Award für seine Arbeit auf der Shortlist der Gewinner.

Im Gespräch nannten Sie mir, dass Bewerbungsunterlagen und insbesondere Arbeitszeugnisse heute kaum noch Ansehen haben. Dabei müssen sich Personalentscheider ja ein Bild von Bewerbern machen, bevor diese eingestellt werden. Was genau sind Ihre Beobachtungen?


Ich weiß nicht ob ich es so gesagt habe, aber zumindest habe ich manchmal Zweifel, wenn ich versuche Werdegänge zu verstehen. Mit der Interpretation der Zeugnisse ist es so eine Sache. Manche Arbeitszeugnisse sind nicht gut geschrieben, weil diejenigen, die diese schreiben, sich nicht auskennen. Zudem trauen sich viele Arbeitgeber nicht schlechte Zeugnisse zu schreiben, weil sie keine Lust haben, sich noch im Nachgang mit den ehemaligen Mitarbeitern zu streiten. Die Frage ist auch, welche Zeugnisse aus der Schulzeit oder aus dem Studium noch eine Rolle spielen. Menschen können sich ändern. Und auch wenn in nahezu jedem Fachbuch den schulischen Zeugnissen die höchste Validität zugesprochen wird (z.B. Schuler), ist doch die Frage, wie die Noten im Detail gewichtet werden sollten, vor allem je älter die Unterlagen sind.



Woraus können Personalentscheider heute überhaupt noch schließen, um welche Qualität es sich bei Bewerbern handelt? Was hat noch Aussagekraft?


Ich würde sagen, es ist das Gesamtbild: Anschreiben, Lebenslauf und Zeugnisse. Zwar sagen bereits viele meiner Kollegen, ein Anschreiben sei nicht mehr notwendig – ich sehe das jedoch anders. Wir brauchen alles. Es geht immer noch um den Match zwischen Arbeitgeber. Arbeitgeber stellen sich immer besser dar und präsentieren sich und ihr Angebot. Letztlich müssen die Bewerber nichts anderes tun. Der Lebenslauf gibt Auskunft über (Lebens-)Stationen, die Zeugnisse über die Performance und das Anschreiben über die Motivation.


Es ist wahr, wir müssen es den Bewerbern einfach machen, aber wir brauchen auch den guten Match. Je mehr Informationen wir auf beiden Seiten haben, desto besser. Und am Ende gibt uns das Gesamtbild diese Auskunft. Viele Unternehmen, so auch wir bei Lautsprecher Teufel, machen kurze Video-Interviews, um die Vorauswahl weiter zu verbessern.



Spielt die Lernkompetenz heute eine Rolle, das heißt wie schnell sich Jobanwärter in ein neues Thema bzw. eine neue Aufgabenstellung hineindenken können?


Selbstverständlich. Gemeint ist ja lernmethodische Kompetenz, d.h. zu wissen, wie man sich Wissen aneignet bzw. woher man das Wissen und mit welcher Methode gewinnt. Eine gewisse Beharrlichkeit gehört dazu. Das macht die Grundmotivation so wichtig. Vielleicht haben Sie es von HR Managern gehört, Know-how lässt sich anlernen, Motivation und Interesse eben nicht.



Welche Schlüsselkriterien setzen Sie an, wenn es bei Ihnen um Teamzuwachs geht. Was können sich Unternehmer und Personaler von Ihnen abgucken?


Ich weiß nicht, ob wir schlauer sind als andere Unternehmen. Es geht um Know-how, es geht um Motivation und kulturellen Fit. Die Schlüsselkriterien setzen wir nicht anders als andere. Was wir sicher gut machen – und vielleicht sogar besser als der eine oder andere im Markt – ist, dass unser Bewerbermanagement schnell, sympathisch und stets auf Augenhöhe ist. Das Feedback, das wir auf kununu erhalten, ist wirklich gut; aber das ist schon wieder ein anderes Thema.

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