Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Sie zählt zu den gefragtesten Rednern im deutschsprachigen Raum. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Vom Business-Netzwerk LinkedIn wurde sie zur Top-Voice 2017/2018 und vom Business-Netzwerk XING zum XING-Spitzenwriter 2018 gekürt. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager aus.
Früher wurden Bewerber speziell für vakante Stellen gesucht. Auf dem heute knappen Arbeitsmarkt müssen wachsende Unternehmen den Blickwinkel ändern. Worin sehen Sie den Fokus bei der Mitarbeitergewinnung?
Natürlich gibt es die unterschiedlichsten Wege, um an neue Mitarbeiter zu gelangen. Den effizientesten sehe ich darin, es über den Mitarbeiter als Botschafter zu machen. Für einen Außenstehenden ist das am glaubwürdigsten, was Dritte, also in dem Fall die eigenen Mitarbeiter, über ihren Arbeitgeber sagen. Sowas ist immer wertvoller als das, was ein Unternehmen selbst über sich sagt.
Empfehler haben die höchste Überzeugungskraft – und die geringsten Streuverluste. Denn sie kontaktieren ganz gezielt genau die Personen, die sich für eine bestimmte Stelle und die Mitarbeit im Team tatsächlich eignen. Das tun sie zudem mit beachtlichen Abschlussquoten. Sie verkürzen Entscheidungsprozesse und verringern das Risiko einer bedrohlichen Fehlentscheidung. Und sie helfen, eine Menge Zeit zu sparen.
Welche Rolle übernimmt die Arbeitgebermarke dabei?
Den Mitarbeiter als Botschafter und Empfehler zu gewinnen, neudeutsch Employee Advocacy, ist keine Sache der Marke, sondern eine Sache der Unternehmenskultur. Denn nur wer empfehlenswert ist, wird auch tatsächlich weiterempfohlen. Das klingt im ersten Moment ziemlich banal, ist aber der entscheidende Punkt. Alles, was drinnen im Unternehmen passiert, muss empfehlenswert sein. Und der Anspruch ist hoch. Denn Empfehlungen werden erst dann ausgesprochen, wenn man sich seiner Sache absolut sicher ist. Mit jeder Empfehlung kann man sich Freunde, aber auch Feinde machen.
Mundpropaganda braucht also Exzellenz. Es steht ja immer auch der eigene Ruf auf dem Spiel. Nur wenn man etwas geboten bekommt, worüber es sich wirklich zu reden lohnt – womit man sich also schmücken und bei anderen punkten kann, nur dann wird man eifrig berichten. Ergo: Empfehlungsbereitschaft braucht nicht nur Begeisterung, sondern auch Superlative. Mittelmaß wird niemals empfohlen. Erst im Bereich der Spitzen, wenn man also höchst zufrieden ist, wird man in positiver Richtung aktiv.
Wie werden Mitarbeiter zu Botschaftern ihres Unternehmens?
Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten. Das eine sind Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter-Programme und das andere ist die Bitte, im Web und hier insbesondere auf Arbeitgeber-Bewertungsportalen positiv zu berichten. Doch nur dann, wenn Mitarbeiterloyalität, Motivation und Mitarbeiterengagement stimmen, macht es Sinn, die Belegschaft einzuladen, die Firma auf kununu & Co. zu bewerten. Geben Sie eine plausible Begründung, warum das so wichtig ist, erhöht dies die Chancen beträchtlich. Unser Hirn liebt Begründungen, damit es weiß, weshalb es überhaupt aktiv werden soll.
Schreiben Sie zum Beispiel so: „Wir brauchen dringend noch weitere Talente, um unser bestehendes Hochleistungsteam zu komplettieren. Und weil die Besten sich im Web vorinformieren, können ein paar weitere anregende Bewertungen bei kununu uns allen sehr helfen. Wenn Sie also mögen, dann … .“ Nun folgt eine Kurzbeschreibung, wie das funktioniert, damit das Ganze für jeden so einfach wie möglich ist. Bieten Sie aber niemals Geld oder Goodies für gute Bewertungen an. Sowas gelangt meist sehr schnell an die Öffentlichkeit. Und dann ist Ärger vorprogrammiert.
Was können Führungskräfte tun, um ihre Mitarbeiter insbesondere für die Rekrutierungsaufgabe zu gewinnen?
Bei den gängigen Mitarbeiter-Empfehlungsprogrammen werden Offline- und Online-Aktivitäten miteinander verknüpft. Meist gibt es einen Flyer, der alles Notwenige erklärt. Zusätzlich stehen alle Infos über das Empfehlungsprogramm im Social Intranet. Definieren Sie die Zielgruppen, die an dem Programm teilnehmen sollen, damit Sie keine unangebrachten Empfehlungen erhalten. Halten Sie den Papierkram so einfach wie möglich. Und lassen Sie die Belegschaft ein solches Programm mitgestalten.
Bieten Sie zusätzlich kleine „Wie-werde-ich-ein-Power-Empfehler“-Trainings an. Richten Sie ein Blog ein, in dem die Empfehler die besten Tipps miteinander teilen können. Stellen Sie einen speziellen Ansprechpartner bereit. Informieren Sie zeitnah über alle offenen Stellen. Installieren Sie ein Status-Programm für laufende Empfehlungen. Berichten Sie regelmäßig und begeistert über Erfolge. Ehren Sie die besten Empfehler. Schicken Sie die obersten Chefs auf Empfehler-Dankeschön-Tour. Das wird einen bleibenden Eindruck hinterlassen - und die Leute zu noch größeren Taten anspornen.
Ganz unabhängig von einer erhaltenen Prämie und dem schließlichen Bewerbungserfolg: Geben Sie dem Empfehler eine Rückmeldung darüber, was aus seiner Empfehlung geworden ist. Und wertschätzen Sie die Person, die Sie durch ihn gewonnen haben. Das kann sich zum Beispiel so anhören: „Ich muss schon sagen, Sie kennen interessante, profilierte Leute.“ Wer solche Anerkennung bekommt, fühlt sich dem Geber verpflichtet. Soziologen nennen das den Reziprozitätseffekt. So wird aus einem Erstempfehler mit etwas Glück ein Powerempfehler und Supermultiplikator.
Das Buch zum Thema
Anne M. Schüller, Alex T. Steffen
Die Orbit-Organisation
In 9 Schritten zum Unternehmensmodell
für die digitale Zukunft
Gabal Verlag 2019, 312 Seiten, 34,90 Euro
ISBN: 978-3869368993