Wie gelingt der Kulturwandel im Unternehmen?

Als systemisch arbeitender Berater, Coach und Sparringspartner unterstützt Jörg Rosenberger seit über 20 Jahren Führungskräfte, Teams und Organisationen dabei, Veränderungen wirksam zu gestalten und die dafür notwendige Führungsperformance zu erlangen.

Lösungsorientiert und auf Augenhöhe mit seinen Kunden agiert er in Beratungen, Einzelcoachings oder Workshops fordernd, wirksam und dabei konstruktiv „unbequem“.

Wie gelingt der Kulturwandel im Unternehmen?


Wenn wir von Kulturwandel in einem Unternehmen sprechen, dann ist es zunächst wichtig, die aktuelle gelebte Kultur zu verstehen und zu erkennen. Hilfreich hierfür ist es, die Analogie des Spiels zu nutzen: Das Spiel ist das Unternehmen, die Spieler sind die Akteure in einem Unternehmen. Welche Spielregeln herrschen vor und dienen unwidersprochen, reflexartig, um die Alltäglichkeiten der Organisation zu regeln? 


Kultur an sich ist ein schwer zu ortendes Phänomen, wir können sie beobachten, jedoch nicht unmittelbar oder kausal gestalten. Viel mehr gibt es typische Interaktionsmuster, die gleichsam als Trägersubstanz für die Unternehmenskultur dienen. An solchen Mustern, beispielsweise Entscheidungsprozesse oder Konfliktsituationen, lassen sich dann typische kulturrelevante Verhaltensweisen beobachten. Sie gilt es dann dahingehend zu überprüfen, ob sie der angestrebten Kultur zuträglich sind. Sind sie es nicht, kann überlegt werden, wie solche Situationen zukünftig anders angegangen werden sollten, um dem angestrebten kulturellen Bild zu entsprechen.

Wenn dieser kulturelle Zielzustand deutlich ist, müssen neue Spielregeln mit allen Beteiligten definiert und eingeübt werden. Hierbei spielt die Kommunikation aller Beteiligten miteinander - gleichsam als Transmissionsriemen von Veränderung – eine zentrale Rolle. Um neue Spielregeln zu definieren, bieten sich die Entwicklung oder Revision von Visionen, Zielen und Strategien für ein Unternehmen an. 



Angestellte fordern heute ganz andere Dimensionen an Teilhabe in die Unternehmensentwicklung als jemals zuvor. Welche Beobachtung machen Sie?



Sie fordern in meiner Wahrnehmung nicht übermäßig mehr Teilhabe, sondern sind mutiger und entschlossener, mehr Partizipation zu fordern. Die aktuellen Rahmenbedingungen für diesen Wunsch waren ja auch lange gegeben: Qualifizierte Menschen werden händeringend gesucht und der Fokus der Arbeitnehmenden kann dadurch noch stärker darauf liegen, die richtige für sich passende Organisation als künftigen Arbeitgeber auszusuchen. Menschen mit einem hohen Wunsch an Teilhabe werden entsprechend diesem Wunsch auch artikulieren. 


In meiner Praxis als Berater habe ich sehr gute Erfahrungen mit partizipativen Interventionen gemacht, indem Menschen einer Organisation – unabhängig von hierarchischem Status – an relevanten Unternehmensentscheidungen teilhaben. Beispielsweise empfehle ich meinen Kunden, Leitbilder und Unternehmensvisionen sowie bei grundsätzlichen Entscheidungen eines Unternehmens die Mitarbeitenden in Form von Resonanzgruppen zu beteiligen. Die höchste Form dieser Partizipation stellt sicher die „kollegiale Führung“ dar, in der – bis auf wenige Ausnahmen – Führung auf viele Schultern verteilt wird und die klassische Führungskraft der Vergangenheit angehört.







Wenn Unternehmensleitungen den Kulturwandel antreten wollen: Was sollte in Ihren Augen der erste Schritt sein?
 
Der erste Schritt sollte sein, sich im Klaren darüber zu sein, wie sich der erhoffte Gewinn eines Wandels darstellt. Da wir Kultur höchstens mittelbar und nie linear-kausal „wandeln“ können, empfiehlt sich als erster Schritt, kulturbildende Momente zu kreieren. Unter kulturbildenden Momenten verstehen wir unvorhergesehene Situationen in einer Gemeinschaft, in der die Beteiligten einen hohen Fokus auf das richten, was nun passiert. Daraus lassen sich dann Erfahrungsmuster für die Zukunft ableiten. 


Hier ein Beispiel aus meiner Praxis: Lange Zeit war es typisch bei einem meiner Kunden, dass Meetings in größeren Abständen voneinander und dann über ein längeres Zeitfenster stattfanden. Da es zur Kultur des Unternehmens gehörte, wurde dieser Modus nicht hinterfragt. Mein Impuls war, diese Meetings zu streichen und stattdessen engmaschig extrem kurze Meetings durchzuführen, so genannte Stand Ups. Dies war eine Intervention, die in einem kleinen Maße die Kultur einer Organisation ändern kann, in dem über die Veränderung, die solche Interventionen auslösen, reflektiert wird.  



Wie kann sich die einzelne Führungskraft im Prozess des Wandels positionieren?


Als Führungskraft bin ich prägender Repräsentant der Unternehmenskultur und stehe im Fokus der Beobachtung. Hierbei wird die Führungskraft immer um ein vielfaches mehr an dem gemessen, was sie tut, statt an dem, was sie postuliert. Als Führungskraft sollte ich mein Wertekorsett mit dem des Unternehmens abgleichen. Nur wenn es eine hohe Übereinstimmung gibt, kann ich meine Rolle auch mit einer gewissen Vorbildfunktion ausüben.


Die moderne Führungskraft benötigt darüber hinaus eine hohe kommunikative Wirksamkeit, um Herausforderungen und Veränderungssituationen zu meistern. Die fortschreitende Spreizung in vielen Unternehmen zwischen innovativen und traditionellen Bereichen wird zukünftig vermehrt zur Transformation von „Führungskraft“ zu „Führungsarbeit“ führen. Was bisher in einer Person vereint war, wird sich möglicherweise bald auf mehrere Personen aufteilen müssen. Führung wird zur Teamleistung. Erfolgsfaktoren sind  eine Führungskultur des Dialogs auf Augenhöhe und des Vertrauens.

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