Emotionaler, nachgiebiger, empathischer sollen Frauen im Denken der Allgemeinheit sein, insbesondere in ihrem Führungsstil. Gleichzeitig beschrieben sich Frauen in höheren Positionen als tough, durchdacht und mutig. Ohne bei der Beantwortung dieser Frage auf Klischees zurückgreifen zu wollen, gelten Frauen gemeinhin als die „weicheren“ Führungskräfte und punkten – so das Vorurteil – eher in sozialen Kompetenzen als in struktur- und prozessorientierten Management-Themen. Was ist daran wirklich wahr?
Welches Geschlecht hat den wirksameren Führungsstil?
Viele Unternehmen rüsten mehr Frauen in Führungspositionen auf, um sich als Organisation nach vorn zu bringen – nicht nur in den Zahlen, sondern ganz besonders in ihrer Attraktivität als Arbeitgebende. Autoren wie Tomas Chamorro-Premuzic und Simone Burel sowie zahlreiche Studien belegen die positiven Effekte von weiblichen Führungseigenschaften auf den wirtschaftlichen Erfolg.
Forscher haben herausgefunden, dass die Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Führungsstil nur minimal sind. Um genau zu sein, setzen Frauen lediglich die Schwerpunkte ihrer Führung anders als Männer. Welche sind das? Eine Studie des Verbands deutscher Unternehmerinnen (VdU) hat ergeben, dass Frauen mehr Wert auf Kreativität, Fürsorglichkeit und Teamfähigkeit legen, Männer historisch bedingt eher noch einer „Ellbogen-Mentalität“ unterliegen und schneller Entscheidungen treffen.
Die Studie belegt weitere Prioritäten von Frauen in Führung und Verantwortung:
• Intensive Kundenbindungen und gute Beziehungen zu Mitarbeitern
• Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Männer fokussieren im Wesentlichen:
• Finanzielle Vorteile
• Sachliche Leistungen und Statussymbole
Eine empirische Studie der Uni Mannheim und des Studienzentrums in Bonn räumt das Klischee aus der Welt, nach dem Frauen empathischer und demzufolge weniger durchsetzungsstark seien. Dieses Ergebnis zeigt, dass Männer sogar eher zum „Laissez-faire“-Führungsstil neigen als Frauen, die wiederum mehr Regeln und klare Führungsworte fänden. Doch woran liegt es dann, dass Frauen in der Führung oft nicht so erfolgreich sind wie Männer?
Viele Führungstheorien gehen davon aus, dass Mitarbeitende ein Idealbild einer Führungskraft haben, das sie mit ihrer Realität vergleichen. Folglich wird jede Führungskraft in der Vorstellungswelt ihrer Mitarbeitenden eingeordnet und unterliegt damit zu einem bestimmten Anteil den Vorannahmen und mancher Voreingenommenheit ihres Teams. Denn leider haben viele Menschen noch einen „aufopfernden, entschlossenen Helden“ oder einen „charaktervollen, integeren Vater“ als Führungsbild im Kopf.
Die Forschungen von Early und Karau (2002) decken interessante Erklärungen auf, warum diese Idealbilder nicht mit weiblichen Führungskräften kompatibel scheinen: Die Wissenschaftler legen dar, dass die Charakteristika von Frauen und der Rolle als Führungskraft nicht miteinander vereinbar seien. Darin bestünde auch der Grund, warum Frauen, die männliche Verhaltensweisen und Führungsstile aufweisen, aufgrund der unpassenden Rollenerwartung negativ bewertet werden. Und die ernüchterndste Evaluation stammt von dem Forscherteam Butler & Geis. Sie haben herausgefunden, dass sowohl Männer als auch Frauen negative Impulsreaktionen auf Frauen in Führungspositionen zeigten.
Eine chancenreiche Erkenntnis
Verkehren wir das scheinbar ausweglose Dilemma ins Gegenteil: Viele Studien zeigen gleichzeitig, dass sich ein hoher Frauenanteil im Management positiv auf die wirtschaftliche Gesamtleistung eines Unternehmens auswirkt. Unternehmen, in deren Vorstand Frauen mitwirken, sind nachweislich finanziell erfolgreicher. Ist also alles „nur“ eine Frage der Haltung?
In typisch männlichen Branchen sind Frauen vielfach erfolgreicher als ihre männlichen Kollegen. Und obwohl sie häufig erst über die Schwelle feindseliger Betrachtung hinaus müssen und als weniger sympathisch angesehen werden, akzeptiert – und wünscht – man sie als Führungskraft.
Der Schlüssel liegt in der Persönlichkeit
Frauen neigen häufiger zum transformationalen Führungsstil, was bedeutet, Mitarbeitern auf Augenhöhe zu begegnen und sich als Sparringspartner und Mentor zu verstehen. Da Frauen gut darin sind, die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter zu erkennen, halten sie mit dieser Stärke den Schlüssel zu deren Motivation in der Hand. Mit dieser Fähigkeit schaffen sie mehr Rahmen für die Themen und Lebensumstände und ernten für diese Aufmerksam und Zeitinvestition eine höhere Leistungsbereitschaft.
Ob Frauen – und natürlich auch Männern – diese Anteilnahme und Kommunikationstiefe gelingt, liegt in ihrer Persönlichkeitsstruktur. Jeder Mensch ist selbst dafür verantwortlich, wie einfühlsam, hilfsbereit, macht- oder erfolgsorientiert sie oder er ist. Demzufolge gibt es die „typisch weibliche Führungskraft“ nicht. Vielmehr entscheidet jede Frau und jeder Mann selbst, wie sie oder er sein und als Führungskraft wirken will.
Letztlich muss jede Führungskraft ihren eigenen Führungsstil entwickeln und ihre Schwerpunkte setzen. Da ich Loyalität und damit loyale Führung und Zusammenarbeit als oberste Priorität betrachte, ist es situationsabhängig, mit welchem Führungsstil ich als Führungskraft wann agiere oder reagiere. Wichtig sind die Kenntnis der Mitarbeiterstruktur als auch das Wissen um die eigenen Präferenzen in der Führung. Ob ich in meinem Auftreten in Personalgesprächen, bei Moderationen, Vorträgen oder in Seminaren eher männlich oder weiblich wirke, ist gar nicht die Frage, die ich mir stelle. Vielmehr lege ich Gewicht darauf, zu wirken, meine Kommunikation so treffsicher zu gestalten, dass ich mich nicht endlos wiederholen muss und dass sich nach einem Gespräch alle Beteiligten besser fühlen als vorher. Und das hat mehr mit der eigenen Persönlichkeit und Selbstkenntnis zu tun als mit einem bevorzugten Führungsstil. Wenn Unternehmen das verstehen und beherzigen, können sie einerseits leichter wichtige Führungspositionen mit weiblichen Führungskräften – oder den entsprechend passendsten Kandidaten – besetzen.
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