Vermutlich wissen Sie aus eigener Erfahrung selbst, welche wichtige Rolle die Führung für die Arbeitszufriedenheit spielt. Eine Führungskraft kann motivieren oder frustrieren, sie kann Teams zu Bestleistungen animieren oder durch fehlende Klarheit Prokrastination verursachen. Sie prägt am wesentlichsten eine produktive oder konfliktreiche Arbeitsatmosphäre. Viele Bereiche des Arbeitsalltags werden also (auch) durch die Führungspersönlichkeiten beeinflusst. Deshalb ist es ungemein wichtig, für Führungsverantwortung die richtigen Leute auszuwählen.
Sind die motivierten und uneigennützigen Vorgesetzten definiert, können selbst ihnen Führungsfehler unterlaufen – ich kenne niemanden, der in unserer schnelllebigen und komplexen Arbeitswelt konstant rechtzeitige und „richtige“ Entscheidungen trifft. Selbstreflexion und ein offenes Mindset für mehrere Sichtweisen und Lösungswege sind und bleiben aus meiner Sicht die Schlüsselkompetenzen für gute Entscheidungen und nachhaltige Akzeptanz im Team.
Es fehlt meist nicht an Haltung, sondern an Achtsamkeit
Wenn ich Verantwortungsträger und Entscheiderinnen frage, welche Eigenschaften sie sich bei Vorbildern wünschen, werden diverse Rollen und Aufgaben aufgezählt: Organisationen brauchen Richtungsgeber, Vermittlerinnen, Mentoren, Strateginnen, Feedback-Geber, Coaches, Spezialisten und Kommunikationsexpertinnen.
Die meisten Führungskräfte kennen die Anforderungen an ihren Job sehr wohl. Nicht wenige von ihnen weisen sogar einen überhöhten Anspruch an sich selbst auf. Diesen jedoch im triebsamen Alltag gerecht zu werden, ist die Kunst. Daher beginnt meine Aufgabe häufig damit, ihnen ihre Rollenvielfalt zu spiegeln und anzuerkennen, was sie eigentlich alles jeden Tag leisten.
Wir alle sind Menschen. Nur wenn wir mit unserer eigenen Unzulänglichkeit und Verletzlichkeit offen umgehen, fällt es den Mitarbeitenden leichter, uns unsere Fehleinschätzungen und Fehler in der Führung zu verzeihen. Typische „kleine“ Fehler von Führungskräften sind zum Beispiel, dass
- sie ihren Mitarbeitenden im Stress nicht richtig zuhören.
- eine wichtige Aufgabe an die falsche Person delegieren oder Menschen in ihrer Eigenverantwortlichkeit überschätzen.
- zu spät zu einem vereinbarten Gespräch erscheinen oder es kurzfristig verlegen.
- einen Konflikt im Team übersehen oder als unbedeutend einschätzen.
- Projekt-Ergebnisse anhand unvollständiger Kriterien bewerten.
- in einer unvorhergesehenen oder schwierigen Situation nicht souverän (genug) reagieren.
Diese Liste könnte ich endlos fortsetzen, denn kleinere Führungsfehler können viele Formen annehmen. Allumfassend ist es hier wichtig, den Fehler zu erkennen, die entsprechende Verantwortung zu übernehmen und in Zukunft auf der Lernerfahrung beruhend bessere Entscheidungen zu treffen bzw. besser zu führen.
Was Achtsamkeit fördert und den Stress begräbt
Wer buchstäblich ehrlich sich selbst und seinen Mitarbeitenden gegenüber ist, wirkt auf menschliche Art vertrauenswürdig. Gleichzeitig sorgt eine Vertrauenskultur dafür, dass Aufgaben besprochen und geteilt werden, weil die Teammitglieder sich aufgehoben fühlen und gegenseitig einschätzen können. Eine ideale Voraussetzung, um Angelegenheiten stärkenbasiert auf mehrere Köpfe zu verteilen oder eine zusätzliche Führungsriege einzurichten.
Auch kurzfristig bieten folgende Vorgehensweisen ein Fundament für mehr Achtsamkeit und damit für ein loyales Miteinander:
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Unfertige Projekte in kleinere Einheiten splitten
Wenn sich Projekte überlappen, kann man viele Aufgaben nicht zu einem befriedigenden Abschluss bringen und sie bleiben im Kopf. Die Erholungsfähigkeit sinkt. Daher ist meine Empfehlung, Aufgaben in kleinere Schritte zu teilen und wenn möglich, die Vielfalt der Aufgaben zu reduzieren. Beides wirkt dem Stress-Gefühl entgegen. -
Negative Emotionen in Wertschätzung wandeln
Emotional fordernde Situationen und Konflikte im Job können es schwermachen, abends abzuschalten. Hier hilft es, eine neue Konflikt-Kultur einzuführen, in der verschiedene Perspektiven willkommen sind, Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten gut geklärt werden und Beschäftigte sich sozial unterstützt fühlen. -
Zeitliche Überforderung mit konsequentem Zeitmanagement begegnen
Wenn der Zeitdruck zu hoch wird, wird oft auf Pausen verzichtet und die Zahl der unfertigen Aufgaben nimmt zu. Das löst Stress aus. Eine büroübergreifende Zeitstruktur hilft, Raum für Abstimmungen, konzentriertes, effektives und strategisches Arbeiten eingrenzen. -
Geringen Handlungsspielraum um Ideenvielfalt ergänzen
Wer Aufgaben auf eigene Weise lösen kann, fühlt sich selbstwirksam; zu wenig Handlungsfreiheit dagegen treibt Stress und Gesundheitsrisiken nach oben. Unkonventionelle Lösungsvorschläge erleichtern den Perspektivenwechsel und können den tristen Alltag mit Humor beflügeln. #thinkoutsidethebox -
Wertschätzungsmangel durch zusätzliche Feedback-Strukturen mindern
Menschen möchten, dass ihr Engagement gesehen und gewürdigt wird. Fehlt dies, fühlen sie sich gestresst. Wo Vorgesetzte wenig präsent sind, kann Wertschätzung auch durch den persönlichen, strukturierten Austausch mit sinnvollen Feedback-Partnern ausgedrückt werden, um das Gefühl von Anerkennung und Fairness zu transportieren.