Warum Alternativen nicht illoyal sind

Ein Konflikt ist eine Situation unterschiedlicher Erwartungen, die negativ erlebt wird. Daraus resultiert, dass die Einen Konflikte dämonisieren, besonders die Harmoniesüchtigen. Sie denken, es dürfte keine Konflikte geben. Dann gibt es diverse Sprachstrategien, um Konflikte auszurotten, indem sie beispielweise in Herausforderungen umbenannt werden (was am Kern ja nichts ändert). Dann gibt es jene, die Menschen vor Konflikten verschonen wollen – und entmündigen diese damit im Namen des Beschützens. Und zuletzt gibt es noch jene, die Konflikte zu Tabus erklären und damit ein kommunikatives schwarzes Loch entstehen lässt, das sich immer weiter ausdehnt. Benennen wir die Umgangsstrategien allesamt als konfliktscheues Verhalten und alles was es zutage bringt, ist Schwellenangst.

 

Konfliktscheues Verhalten erzeugt Schwellenangst

 

Wenn Konflikte als krankhaftes Symptom wahrgenommen werden, unterbleiben zukunftsorientierte Entscheidungen und Strukturen erstarren. Nicht selten werden dadurch Fehlentwicklungen verursacht. Dazu kommt noch ein wesentlicher Punkt: Unterdrückte Konflikte binden Energie, die dann nicht für die originäre Arbeit zur Verfügung stehen. Es kann und sollte also niemals das Ziel sein, Konflikten auszuweichen oder sie zu unterdrücken – schon gar nicht im Arbeitsleben.

 

Wer Konflikte lösen will, muss Alternativen aushalten.

 

Entscheiden heißt verzichten. Oder etwas freundlicher ausgedrückt: Wer sich für eins entscheidet, schließt etwas anderes aus. In unserer Wertewelt ist das oft verbunden mit einem Gewinner-Verlierer-Denken; entweder so oder so. „Alternativlos!“ wurde in der Vergangenheit schon tituliert, wenn etwas Ungewolltes oder Unangenehmes verschwiegen werden sollte. So manche Führungskraft betreibt für viel Aufwand, um vergessen zu machen, womit sie sich nicht konfrontieren will. Wer das Ende der Diskussion will, versucht vieles, um andere zum Schweigen zu bringen. Oft werden komplexe Sachlagen vereinfacht. Es soll das Gefühl der Kontrolle entstehen. So scheint es in vielen Unternehmen nur eine – vorgegebene – Art zu geben, für das gemeinsame einzustehen. Was dort passiert: Es wird alternativ mit illoyal verwechselt. Dabei ist sie Alternative genau das Gegenteil!

 

Fortschritt braucht Alternativen

 

Damit ist der Ruf nach „Alternativlosigkeit“ eine Attacke auf die menschliche Vernunft. Wenn es keine zwei Meinungen mehr geben darf, versperrt man sich die freie Sicht auf das, was möglich ist. Kann die Schließung einer Produktion alternativlos sein? Was aus betriebswirtschaftlicher Sicht berechenbar ist, ist für die betroffenen Mitarbeiter bei Weitem nicht alternativlos. Grundsätzlich hat der Mensch immer eine Alternative – und wenn es die ist, die Einsatzbereiche oder die eigene Einstellung zum Marktgeschehen zu ändern.

 

Führung ist also immer Führung im Dilemma

 

Konflikte zwischen Werten, Zielen, Erfahrungen gibt es immer und alle erscheinen berechtigt. Wenn Sie diesen Text als Führungskraft lesen und in genau dieser Situation sind: Was immer Sie entscheiden, wird falsch sein – zumindest aus Sicht derjenigen, die andere Werte vorgezogen hätten. Im strengen Sinne produzieren Sie als Führungskraft also immer Widerstand. Oder sie entscheiden nicht. (Was sie auch nicht vor Widerstand schützen wird.)
Es ist wie in der Bilanz: Keine Buchung ohne Gegenbuchung, alle Bejahung ist auch Verneinung (von etwas anderem). 

 

Als verantwortungsvolle Führungskraft erkennen Sie also Alternativen an und kehren sie nicht unter den Tisch. Nennen Sie auch die ausgeschlossenen Faktoren und machen Sie Ihre Begründung nachvollziehbar. Das heißt, dass Sie keine „Kosten“ unterschlagen, auch nicht die mentalen, moralischen, emotionalen. Sie benennen die Verlierer und vor allem bitte ich Sie: Bezeichnen Sie niemals etwas als alternativlos. 

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