Sebastian Baacke, 42 Jahre, hat an der Universität Leipzig Politikwissenschaften, Journalistik und Betriebswirtschaft studiert und 2015 die FairnessRatings GmbH in Hildesheim gegründet. Mit dem Work Life+ Arbeitgebersiegel hat er sich zum Ziel gemacht, attraktive Arbeitgeber auszuzeichnen und ihnen so einen Wettbewerbsvorteil auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen. Grundlage für diese Auszeichnung ist eine politik- und sozialwissenschaftliche Methodik, bei der die Arbeitsbedingungen vor Ort analysiert werden.
Viele Unternehmen stöhnen über Fachkräftemangel, wenn sie keine oder keine passgenauen Bewerbungen erhalten. Wie ist Ihre Sicht auf die Dinge?
Den Fachkräftemangel gibt es eigentlich nicht. Es sind genug qualifizierte oder qualifizierbare Menschen da. Aber es kommen mehrere Entwicklungslinien zusammen: Neue Technologien führen dazu, dass anders gearbeitet und anders kommuniziert wird. Die Anforderungen steigen, und neben der persönlich-fachlichen Weiterentwicklung muss auch das Arbeitsumfeld modifiziert werden. Menschen werden nicht mehr an die Erfordernisse der Arbeitswelt angepasst, sondern Arbeitsplätze werden auf die Menschen zugeschnitten.
Deshalb ist die Erwartungshaltung nach passgenauen Bewerbungen auf Stellenausschreibungen falsch. Hilfreicher wäre es, Bewerber*innen und Stellenprofile aufeinander hin zu entwickeln. Vielleicht findet sich der richtige Mensch dafür sogar bereits im Unternehmen.
Immer wieder spüre ich Verunsicherung bei Arbeitgebern: Kann ich noch einstellen oder macht die Digitalisierung meine Arbeitsplätze überflüssig? Die Frage ist aber falsch gestellt. Richtig müsste sie lauten: Habe ich die Digitalisierung und die Umstellung auf die neuen Arbeitswelten schon angefangen? Wenn die gelingt, werde ich mehr Arbeit haben als je zuvor. Gehöre ich noch nicht zu denen, die jetzt die neuen Entwicklungen aufgegriffen haben? Dann bin ich in fünf bis zehn Jahren gar nicht mehr wettbewerbsfähig. Weder auf dem Arbeitsmarkt noch auf dem Markt für meine Waren und Dienstleistungen.
Was können Arbeitgeber aktiv tun, um nach innen und außen zu zeigen: Ohne Mitarbeiter sind wir wertlos?
Die wichtigsten Botschafter*innen eines Unternehmens sind die Beschäftigten, die darin arbeiten. Binden Sie zunächst also diese Menschen so weit wie möglich in Ihre Entscheidungen ein. Das gilt insbesondere für Veränderungen. Kommunizieren Sie klar und offen, was getan wird, um gute Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Besprechen Sie diese Maßnahmen im Team und nehmen Sie Rückmeldungen an. Es kann auch hilfreich sein, jemand Externes auf das Unternehmen schauen zu lassen, wie es die FairnessRatings GmbH tut. Dann wird auch nach außen sichtbar, was getan wird. Auf der Website, in den Stellenausschreibungen, gegebenenfalls mit einem transparenten Arbeitgebersiegel. Wichtig ist, dass das Credo der Frage verinnerlicht wird: Die Menschen im Unternehmen sind der wichtigste Erfolgsfaktor, denn ohne sie gäbe es das Unternehmen nicht. Sie erbringen unsere Dienstleistungen oder stellen unsere Güter her. Deshalb ist Wertschätzung ergebnisrelevant.
Zu welchen Maßnahmen raten Sie als erstes, ohne größeren Aufwand betreiben zu müssen?
Zunächst empfehle ich, das Mindset zu ändern: Alles fängt mit Wertschätzung an. Es ist wichtig zu erkennen, dass Geld keine Motivation zu Leistung ist. Und dass Menschen keine Ressource sind, die man ausbeutet. Menschen arbeiten mit Begeisterung, wenn sie ihre Arbeitszeit als wertvolle Lebenszeit begreifen und für ein gemeinsames Ziel brennen. Deshalb bietet ein gemeinsames Leitbild Orientierung: Was macht unser Unternehmen aus? Und dann geht der Blick durchs Unternehmen, aus der Perspektive der Beschäftigten: Würde ich hier gern arbeiten? Und wenn nein: Was müsste passieren, damit ich hier gern arbeiten würde? Die Befragung der Beschäftigten selbst lohnt sich. Oft sind es Kleinigkeiten. Kostenlose Getränke für die Angestellten können schon einiges bewirken, wenn es nicht die einzige Maßnahme bleibt. Jedes weitere Zeichen der Wertschätzung baut darauf auf. Hinterfragen Sie sich auch selbst: Sind Sie die Chefin/der Chef, die/der Sie sein sollten?
Welchen Einfluss hat die interne Kommunikation für Arbeitgeber auf ihre Außenwirkung?
Noch einmal: Die Beschäftigten sind die wichtigsten Botschafter einer Organisation. Begeistern sie sich für ihre Aufgabe und ihr Unternehmen, dann gewinnen sie Kunden und auch neue Kolleg*innen für ihren Arbeitgeber. Voraussetzung für Begeisterung ist eine gelingende Kommunikation und eine gemeinsame Mission. Die kommt von der Belegschaft und wird in einem Leitbild ausformuliert. Gelungen ist die Kommunikation von Arbeitgeberattraktivität, wenn sie nicht mehr nötig ist, weil die Menschen im Team selbstständig das Unternehmen weiterentwickeln, ohne dass ihnen jemand sagt, was sie zu tun haben.
Aber Achtung: Wenn Sie selbst als Arbeitgeber nicht konsistent sind, wenn Sie und Ihre Führungskräfte das gemeinsame Leitbild nicht mittragen und leben, dann wird jede Kommunikation scheitern und sich negativ auswirken. Ihre Kunden, Mitarbeiter*innen und Bewerber*innen lesen Ihr Leitbild. Umso wichtiger ist es, dass die Botschaften nicht nur sichtbar, sondern auch spürbar sind. Liegt eine Wolke der Unzufriedenheit über dem Leitbild, verpufft jede Kommunikation und dann hilft Ihnen auch kein Arbeitgebersiegel.