Nach 15 Jahren Managementerfahrung in der Automobilzulieferindustrie berät Roland Greppmair heute vom Standort München aus Unternehmer in Fragen von Leadership, Kulturwandel und der Unternehmensnachfolge.
Sie unterstützen Unternehmer in der werteorientierten Führung. Wo setzt die Führungskommunikation Ihres Erachtens an?
Kommunikation ist ja das Medium, um Botschaften zu übermitteln. Botschaften von Führungskräften an diejenigen, die geführt werden. Claire W. Graves, der Urvater des sog. Graves-Value-Systems – hier besser bekannt als Spiral Dynamics oder 9-Levels – prägte die Aussage: „Ein Mensch hat das Recht, das zu sein, was er ist. Er sollte sich nicht verbiegen müssen, um Ihre Arbeit zu erledigen. Seien Sie flexibel genug, um ihn in der Weise anzuleiten, die ER – nicht Sie – als Anleitung braucht, um die Arbeit zu leisten“. Vielleicht kommt Graves hiermit ein bisschen sehr als Gutmensch rüber. Jedoch beschreibt er ein Erfolgsrezept, dass in alles Verkaufstrainings vermittelt wird. Der Wurm muss nicht dem Angler, sondern dem Fisch schmecken. Wenn also Führungskräfte wissen wollen, was Ihren Mitarbeitern „schmeckt“, müssen sie sich mit ihren Werten auseinandersetzen. Dazu hat Graves ein optimales Modell der Wertesysteme als Grundlage geliefert.
Viele Betriebe sehen sich einer neuen Generation gegenüber. Wie kann die gewachsene Unternehmenssprache an die Erwartungen der heutigen Arbeitnehmer angepasst werden?
Dabei müssen wir unterscheiden zwischen der expliziten und der impliziten Sprache. Anhand des bekannten Eisbergmodells wird klar, dass wir nur relativ wenig vom Ganzen sehen – und bei der Sprache auch hören - können. Viele Betriebe haben erkannt, dass sie auf die Unterschiedlichkeiten der neuen Generation eingehen müssen und kommunizieren – explizit – entsprechend. Jedoch ist das, was Sie gewachsene Unternehmenssprache nennen, ein Produkt, das sich über Jahre und Jahrzehnte entwickelt hat: Damit sind die Unternehmen groß geworden. Folglich ist auch die Unternehmenssprache – in diesem Fall die implizit-unbewusste – als Erfolgsrezept mitgewachsen.
Der Versuch, einen jungen Bewerber mit attraktiven Floskeln im Recruiting heiß zu machen, scheitert dennoch häufig. Spätestens nach der Probezeit fängt er an die Kultur zu fühlen und damit zu mögen oder eben nicht.
Mein Tipp: Wenn die heutigen Arbeitnehmer für den Erfolg eines Unternehmens wichtig sind, sollte man umgehend anfangen, die Kultur danach zu entwickeln. Junge Mitarbeiter mit einem neuen Mindset können der Weiterentwicklung der Kultur dienen - aber nur, wenn es bewusst geschieht. Sonst kann man die Konsequenzen nicht einordnen, die durch das neue Wertegut entstehen.
Welche Kommunikationsmittel empfehlen Sie persönlich, um die gelebte Kultur zu steuern?
70 Prozent aller Veränderungsvorhaben in Unternehmen scheitern. Wechselt der Inhaber, sieht die Erfolgsquote gleich noch schlechter aus. Das liegt einerseits am Widerstand der betroffenen Mitarbeiter und andererseits an den Führungskräften, die die Veränderung nicht unterstützen. Unternehmer und Personalverantwortliche müssen also damit anfangen, die künftigen Vorbilder für Ihr Veränderungsvorhaben zu begeistern. Denn keine andere Figur im Unternehmen hat so viel Einfluss auf die Identifikation der Mitarbeiter wie deren direkte Führungskraft. Die Art, wie die Führungskraft ihre Botschaften verpackt, ist aus meiner Sicht sekundär. Im Wesentlichen müssen die Werte der Betroffenen angesprochen - und dabei authentisch geblieben werden.
Welche Entwicklung sollten Unternehmer und Führungskräfte nach Ihrem Ermessen in nächster Zukunft durchlaufen, um zukunftssicher aufgestellt zu sein?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Mit dem Modell der Wertesysteme von Graves lässt sich bei so einer Fragestellung allerdings recht zielgenau innerhalb der Unternehmenskulturen navigieren. Wichtig ist zu wissen, wo das Unternehmen aktuell steht. Was prägt heute seine Entscheidungen? Was ist den Menschen im Unternehmen wichtig? Nach welchen Grundsätzen wird gehandelt?
Des Weiteren ist entscheidend, in welchem Umfeld das Unternehmen agiert. In welche Märkte ist es eingebettet? Entegegen der Medienaussage beschäftigen sich heute nicht schon alle Unternehmen mit New Work, Industrie 4.0 und Internet of Things. Ich stelle im Coaching und in der Beratung fest, dass viele Menschen sehr stark im "grünen Level" ausgeprägt sind. Sie benötigen ein teamgeprägtes und kooperatives Umfeld, mögen eher kollektive Ziele und sehen ihren Chef mehr als Mentor, Coach oder Vermittler als Jemanden, der Ansagen macht und mit individuellen Zielen führt. Dabei lässt auch die Akzeptanz für ausgeprägte Hierarien nach: Entscheidungen sollen dezentral in der Gruppe getroffen werden.
Derart geprägten Menschen fällt es schwer, patriarchalische (purpur), machtgeprägte (rot) oder hierarchische (blau) Verhältnisse zu akzeptieren bzw. sich darin wohl zu fühlen.
Mein Tipp: Unternehmer sollten die vollen Auftragsbücher nutzen, um Diskrepanzen ihrer aktuellen Unternehmenskultur mit den künftigen Anforderungen an ihr Geschäftsmodell herauszufinden. Daraufhin muss konsequent mit dem oft langwierigen Umbau der Kultur begonnen werden.