Die Weggefährtin und die Kontrahentin der Loyalität

Loyalität ist ein wenig gebräuchlicher Wert. Zwar sind Menschen wie zu allen anderen Zeiten auch zur Loyalität fähig. Doch je transparenter unsere Arbeits- und Lebenswelten werden, desto stärker treten zwei enge Weggefährten der Loyalität ans Licht. Denn Loyalität geht Hand in Hand mit Verbundenheit und Verletzlichkeit. Unser Empfinden für Verbundenheit weckt erst die Loyalität in uns, die über die Gefühlswelt hinaus den willentlichen Bereich, unsere Haltung, berührt. Ähnlich wie über Loyalität wird auch über Verbundenheit und Verletzlichkeit häufig geschwiegen. Das ist kaum zu verdenken, denn wer einmal erfahren hat, wie schnell sich eine Verbindung durch Scham oder Verletzung binnen Sekunden auflösen kann, wird sich seltener öffentlich zu seiner Verbundenheit mit anderen Personen äußern. Unsere Verletzlichkeit, insbesondere wenn wir sie uns selbst nicht eingestehen wollen, hält uns davon ab, wahrhaftige Verbundenheit zuzulassen und untergräbt damit den Nährboden für Loyalität.

 

Weil unsere Verletzlichkeit uns auch im Berufsleben im Weg stehen kann und damit sowohl die Verbundenheit als auch die Loyalität im Team gefährdet, ist sie der größte Hemmschuh, den eine loyale Führung zu überwinden hat. Im Folgenden habe ich verschiedene Verhaltensweisen und kulturelle Aspekte in Unternehmen zusammengestellt, um Ihnen seismografische Hinweise auf potenzielle Gefahrenquellen zu Lasten der Loyalität in Ihrer Organisation zu geben.

 

Diese Faktoren sind hinderlich für die Entstehung von Loyalität:

 

  1. Menschen drücken sich vor unangenehmen Gesprächen sowie ehrlichem, produktivem Feedback. Die Ausreden sind vielfältig: Manche begründen dies mit fehlendem Mut, andere sprechen von mangelnder Kompetenz, wieder andere halten sich an die „kulturelle Norm“, höflich und nett zu sein. In Organisationen, in denen diese Verhaltensweisen bereits zu beobachten sind, sollte besondere Acht auf die möglichen Folgeerscheinungen legen, wie mangelnde Klarheit, schwindendes Vertrauen und Engagement genauso wie passiv-aggressives Verhalten, Unaufrichtigkeit, häufige Kommunikation außerhalb der offiziellen Kanäle, Gerüchte und Verlogenheit.

     

  2. Obwohl sich die meisten Unternehmen in einem starken Wandel befinden und in diesen Zeiten der beste Zeitpunkt für moderierte Gespräche jetzt ist, wo wir noch mit verhältnismäßig wenig Zeitaufwand auf die Gefühle und Ängste, die bei den einzelnen Akteuren damit verbunden sein können, eingehen könnten, wird von vielen Management-Ebenen bevorzugt über ungewünschte Verhaltensweisen referiert und werden neue Verhaltenskodexes definiert.

     

  3. Zu wenige Führungskräfte und Aufgabenverantwortliche gehen durchdacht Risiken ein oder trauen sich, kühne Ideen zur Diskussion zu stellen. Wenn jeder, der etwas ausprobiert und scheitert oder durch mutiges Neudenken Angst haben muss, zurückgewiesen oder der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden, kann sich nur Gruppendenken durchsetzen. Alles andere wird über lang oder kurz im Keim erstickt.

     

  4. Hüten Sie sich davor, zu viel Zeit und Kraft auf Rückschläge, Enttäuschungen und Misserfolge zu verwenden. Teammitglieder brauchen Rückhalt, kein Mitleid. 

     

  5. Internen, heiklen Gesprächen beispielsweise über Diversität oder Inklusion wird sich entzogen, weil niemand einen falschen Eindruck erwecken will. Es wird befürchtet, etwas Falsches zu sagen oder unrecht zu haben. Wenn die eigene Komfortzone jedoch wichtiger wird als die aufrichtige Auseinandersetzung, bröckelt das Vertrauen und nachhaltige Veränderungen werden unwahrscheinlicher.

     

  6. Wenn etwas schief geht, greifen Einzelne oder Teams eilig zu ineffektiven, schnelleren oder leichteren Lösungen, statt der Problemstellung diszipliniert auf den Grund zu gehen und es nachhaltig zu lösen. Falsche Lösungen aus den falschen Gründen führen dazu, dass dieselben Probleme immer wieder auftauchen. Das kostet Geld und Moral.

     

  7. Die Unternehmenswerte und Leitlinien sind vage formuliert an die angestrebten Verhaltensweisen angelehnt, statt an dem tatsächlichen Verhalten ausgerichtet, welches sich schulen, messen und evaluieren lässt.

     

  8. Perfektionismus und Angst vor Unzulänglichkeit halten die Menschen davon ab, sich weiterzuentwickeln und sich als lebenslang lernend anzuerkennen.
     

Dies sind die wichtigsten Punkte, die ich im Laufe der Zeit identifiziert habe. Wie könnte man diese Erkenntnisse nun gewinnbringend zusammenfassen? Vielleicht in Mark Aurel’s Worten „Das Hindernis ist der Weg“. Jedenfalls bin ich mir sicher, dass Scham, Schuldzuweisungen und die Ablehnung der eigenen Verletzlichkeit die größten Kontrahenten einer loyalen Führung und Zusammenarbeit sind. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, diese Feinde zu bekämpfen!

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