Wofür ist es gut, Frauen in der Unternehmensspitze und Führung einzusetzen?

Anja Mahlstedt war viele Jahre in der Führung großer Unternehmen tätig, bevor sie 2007 ihr eigenes Unternehmen gründete. Heute coacht und begleitet sie Führungskräfte mit Entwicklungsprogrammen und Teamworkshops. Sie ist außerdem Keynote Speaker und Autorin beim Springer Gabler Verlag. Ihr zuletzt erschienenes Buch „Wie Frauen erfolgreich in Führung gehen“ befreit von der Quotenfrage und setzt bei der zukunftsorientierten Haltung von Unternehmen und Führungskräften an.

Ihr Buch „Wie Frauen erfolgreich in Führung gehen“ richtet sich sowohl an aufstiegsinteressierte Frauen als auch an Unternehmen. Worin sehen Sie das Potenzial für Unternehmen, die diesen Kurs ansteuern?

Unternehmen, die den Mehrwert von gemischten Teams erkannt haben, sind deutlich erfolgreicher am Markt als ihre Mitbewerber. Unternehmen mit bis zu drei Frauen in Top Führungspositionen erwirtschaften bis zu 35 Prozent mehr Eigenkapitalrendite. Dies sind Zahlen, die den Mehrwert von unterschiedlichen Managementstilen belegen. Gerade die Digitalisierung fordert „agile Führung“, also Führung die „menschorientiert und gleichzeitig flexibel“ ist. Führung, die stark auf der Beziehungsebene kommuniziert, die Mitarbeiter insbesondere in Zeiten der steigenden Komplexität und Unsicherheit mitnimmt, Orientierung gibt und Sinnhaftigkeit vermittelt. Alles Kompetenzen, die gerade den weiblichen Führungskräften zugeschrieben werden.
Außerdem befinden wir uns in einem Kampf um die besten Talente am Arbeitsmarkt, der sich in Zukunft eher noch verschärfen wird. Unternehmen, die den weiblichen Talenten nicht ernst gemeinte Führungsperspektiven bieten, werden diesen Wettbewerb mittelfristig verlieren.

Wie schaffen es Unternehmer, die unterschiedlichen Fähigkeiten und Verhaltensmuster von Frauen und Männern in der Führung gewinnbringend zu kombinieren?

Ich erlebe in meiner Beratungstätigkeit häufig, dass weibliche Führungskräfte in einem männerdominierenden Umfeld verstärkt männliche Verhaltensweisen und Kommunikationsmuster an den Tag legen. Das ist sicher eine intelligente Strategie, um überhaupt eine solche Führungsposition zu ergattern: Damit werden Signale gesendet, die belegen, dass die vorherrschenden Machtspiele und Strategien verstanden werden. Andererseits ist dies für die Unternehmen nicht wirklich zielführend, weil sie nicht von der echten Vielfalt profitieren. Insofern rate ich Unternehmen zu einem ehrlichen Bekenntnis für mehr Durchmischung in den Führungspositionen. Um das dann zu erreichen, braucht es klar definierte Zielgrößen, die so genannte „Selbstverpflichtung“, die in deutschen Unternehmen leider immer noch nicht sehr ambitioniert ist. Wenn Frauen auch in einem männerdominierten Umfeld ihre weiblichen Stärken wie beziehungsorientierte Kommunikation und emotionale Kompetenz einsetzen können und dieser Mehrwert auch gesehen wird, dann sind wir schon ein großes Stück weiter auf dem Weg zum Ziel.
Außerdem sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass auch in Sachen „Entscheidungsverhalten“ Frauen und Männer unterschiedliche Stärken an den Tag legen, die erst in Kombination wirklichen Erfolg versprechen. Männer, eher risikoaffin, entscheiden eher faktenbasiert. Das ist gerade in komplexen Entscheidungssituationen fast unmöglich. In Entscheidungssituationen den so genannten somatischen Markern, also dem Bauchgefühl, zu vertrauen, ist ein ebenso wichtiger Erfolgsfaktor.


Welche Schritte sollten Unternehmer Ihres Erachtens verfolgen, um personell für die Zukunft aufgestellt zu sein?

Junge Nachwuchsführungskräfte orientieren sich an Rollenvorbildern im Unternehmen. Gibt es diese nicht, dann ist es für sie ein deutliches Signal, dass das Bekenntnis „wir wollen mehr Frauen in Führungspositionen“ oftmals nur ein Lippenbekenntnis ist. Es braucht also Frauen, die vorleben, dass es etwas Selbstverständliches ist, auch als Frau in Führung erfolgreich sein zu können.
Weiterhin braucht es eine strategische Verankerung für dieses Ziel mit aussagefähigen Messgrößen. Was gemessen werden kann, wird eher erfolgreich umgesetzt. Der Weg zur Umsetzung kann viele unterschiedliche Facetten beinhalten: Zum Einen maßgeschneiderte Ausbildungsprogramme für weibliche Talente, um den Netzwerkgedanken als auch sie selbst für die Laufbahn zu stärken. Da Frauen häufig risikoaverser sind als Männer, werfen sie ihren Hut meist erst für den nächsten Karriereschritt in den Ring, wenn sie zu Hundert Prozent sicher sind, dass sie auch alle Kompetenzen mitbringen. Männer sind da eher gewillt, den nächsten Entwicklungsschritt zu gehen. Sie überholen Frauen dann oftmals auf dem Weg zur Spitze - so findet der Begriff der „gläsernen Decke“ dann wieder eine Bestätigung mehr.
Auf der anderen Seite hilft eine Sensibilisierung der obersten Führungsebene für die unterschiedlichen Karrierebedürfnisse von Männern und Frauen, damit sie keinen weiblichen ungeschliffenen Rohdiamanten mehr übersehen. Rahmenbedingungen wie verbindliche Karrierepläne und Mentoringprogramme sind genauso hilfreich wie die Ermöglichung „später“ Karrieren. Unternehmen, die Frauen (und natürlich auch Männern) Traineeprogramme nach der Elternzeit ermöglichen, gewinnen hoch motivierte und engagierte Mitarbeiter: die Top Führungskräfte von morgen.

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