5 Mythen über das Lernen und unsere Weiterentwicklung

„Stellen Sie sich vor, die Zukunft wird richtig gut und Sie sind Schuld daran!“ Mit dieser Reflexionsfrage an die Teilnehmenden habe ich kürzlich ein Führungskräfteseminar begonnen. 


Warum diese Frage? Zum Einen, weil Zuversicht in diesen Tagen ein hohes Gut ist, eine Eigenschaft, die wir nicht geschenkt bekommen, sondern die wir uns proaktiv erarbeiten müssen. Zweitens, weil ich mit Menschen zusammenarbeiten möchte, die sich als Gestaltende einer lebenswerten Zukunft begreifen - und nicht als ohnmächtige Co-Piloten. Und drittens, weil es sinnvoll ist, das Warum zu kennen, wenn mit dem Training ein Lernprozess eintreten und gelingen soll. 


Entfacht ist auf diese Frage eine Diskussion über die deutsche Wirtschaft im Allgemeinen, über Faktoren, die eine gesunde Leistungskultur ausmachen und über die wichtigsten Fähigkeiten der Zukunft. Dazu gehört völlig zweifelsfrei die Fähigkeit, zu lernen. Lernkompetenz ist eine Schlüsselkompetenz unserer Zeit. Während die Halbwertszeit von Technologiewissen derzeit bei lediglich drei Jahren liegt, behält die Fähigkeit, zu lernen, ihren Wert, auch wenn Lernfähigkeit wie alle anderen Fähigkeiten kontinuierlich weiterentwickelt werden muss. Bleibt also offen, wie wir besser lernen können und lebenslanges Lernen nicht nur fordern, sondern tatsächlich umsetzen können.


Weit verbreitete Mythen über das Lernen


Mythos Nr. 1: Lernen hat eine natürliche Altersgrenze. Ab einem bestimmten Alter fühlen wir uns zu alt, noch mal mit etwas neu zu beginnen. Fakt aber ist: Unsere Gehirne sind ein Leben lang veränderbar und grundsätzlich fähig, Neues zu erlernen. Je mehr regelmäßige Veränderung und Lernprozesse unser Gehirn bewältigt, desto mehr trainieren wir diese Fähigkeit. Konkret heißt das: Wir können mit 40 Jahren noch Programmieren, mit 50 Jahren Reiten, mit 60 Jahren eine Firma gründen, mit 70 Jahren Chinesisch lernen und mit 80 Jahren erstmalig auf ein E-Bike umsatteln. Was uns im Regelfall von der Erkundung eines solchen Neulandes abhält, ist nicht unsere grundsätzliche Fähigkeit hierfür, sondern oftmals der falsche Glaubenssatz, man sei zu alt dafür. Dieser Fehlglaube ist Gift für notwendige Veränderungen sowie für gelingendes lebenslanges Lernen.


Mythos Nr. 2: Überforderung ist etwas Schlechtes, was wir vermeiden sollten. Fakt ist: Der Zustand der "leichten Überforderung" im Arbeitsalltag ist die produktivste Lernform. Während unser Gehirn im Zustand der totalen Überforderung mit Stresshormonen geflutet wird und wir ebenso wenig lernen wie in der persönlichen Komfortzone, führt der Zustand der leichten Überforderung zur „Muskeldehnung“ der Leistungsfähigkeit unseres Gehirns. Zudem werden Belohnungshormone im Gehirn ausgeschüttet, wenn Herausforderungen erfolgreich gemeistert worden sind. Deshalb ermutige ich Führungskräfte sowie Mitarbeitende, einen offenen Dialog über den Zustand der leichten Überforderung im Arbeitsalltag zu führen: Wie kann dieser in einem gesunden, lernförderlichen Maß erreicht werden.


Mythos Nr. 3: Die Verantwortung für gelingende Lernprozesse trägt der Arbeitgeber. Bitte beachten Sie: Ohne ein hohes Maß an Eigenverantwortung der Lernenden selbst können Lernprozesse nicht gelingen; da hilft auch das beste Bildungsangebot nichts. Vielmehr ist Lernen eine geteilte Verantwortung zwischen Lernendem und Bildungsanbietenden. Beide Seiten müssen investieren. Angesichts der Veränderungsgeschwindigkeit und -intensität gerade bei technologischen Entwicklungen sind alle Lernenden gefragt, auch Freizeit zu investieren, um am Puls der Zeit zu bleiben, das Richtige zur richtigen Zeit zu erlernen und durch praktische Anwendung zu vertiefen. Hier kommt die richtige Wahl der Lernformate ins Spiel: Je mehr das Lernen Freude bereitet, desto leichter fällt es, Lernen in die Freizeit zu integrieren.


Mythos Nr. 4: Lernen findet hauptsächlich im Seminarraum statt. Das stimmt so nicht! Lernprozesse können überall stattfinden. Bewährt hat sich folgende Daumenregel für lebenslanges Lernen: 70% des Lernens findet "on the job" - also in der konkreten Aufgabenbewältigung statt. 20% durch den sozialen Austausch mit anderen Menschen - im Idealfall mit unterschiedlichsten Gesprächs- und Interaktionspartnern hinsichtlich ihrer fachlichen Richtung, Funktion, Branche und Ländern. Lediglich 10% des Lernens findet tatsächlich im Rahmen von "off-the-job"-Weiterbildungsformaten statt. Hier gebe ich im Seminar oder beispielsweise im Zertifikatsprogramm ‚Loyale Führung (IHK)’ die wichtigen Impulse zum Hinterfragen antrainierter Muster hinein und gebe erprobte Verfahren an die Hand, wie besser gearbeitet werden kann.


Mythos Nr 5: Lernen ist teuer. Es gibt viele, vielschichtige und sehr gute Weiterbildungsformate zur persönlichen, sozialen und kommunikativen Weiterentwicklung, die von Unternehmen genutzt und angeboten werden können - sowohl für Einsteiger als auch für Fortgeschrittene und zugänglich für jeden. 


Wichtig ist, dass wir uns selbstreflektiert fragen, inwieweit wir uns persönlich von dem ein- oder anderen Mythos über das Lernen leiten lassen, um dann bewusst Wege zu wählen, wie wir besser und kontinuierlicher Lernen können.


Tipps, wie Lernen im Alltag besser gelingt


Stetiges Lernen und persönliche Weiterentwicklung gelingt am besten, wenn wir es uns zum täglichen Ritual machen. Es darf nicht von der Agenda fallen, nur weil wir gerade so beschäftigt sind. Ich persönlich nutze meine Zeit so effektiv wie möglich: Auf Autofahrten höre ich Hörbücher oder Podcasts zu mir wichtigen Themen. Sachbücher, die mich länger und inhaltlich tiefer begleiten sollen, lege ich dort bereit, wo ich mich in Übergangsmomenten (z. B. in den Feierabend) aufhalte: Am Couchtisch, auf dem Nachttisch, in meiner Reisetasche, die für Hotelübernachtungen vorgepackt ist. Außerdem liebe ich es, mich mit Menschen zu umgeben, die erfahrener, klüger oder einfach andersdenkend sind als ich; jedes Gespräch mit solchen Menschen ist für mich eine Quelle der Inspiration. 


Fazit: Jede Intelligenz die besser werden will, muss wachsen


Wir leben in einer Zeit ständiger und intensiver Veränderungen in den Anforderungen und Erwartungen, die an uns gestellt werden. Die stetig und zudem exponentiell wachsende Leistungsfähigkeit von Technologien bietet uns große Chancen, fordert uns aber gleichzeitig heraus, unsere menschliche Intelligenz ebenfalls stetig weiterzuentwickeln – auch, um unsere nachhaltige Beschäftigungsfähigkeit zu sichern und nicht hinterher zu hinken. Lebenslanges Lernen ist deshalb keine Kür, die wir uns nur als Sahnehäubchen gönnen sollten. Ich sehe Lernbereitschaft und –fähigkeit als Voraussetzung für unsere eigene Zukunftsfähigkeit an. Als eine Schlüsselfähigkeit, die durchaus Spaß machen kann, wenn wir für uns die passenden Lernwege und die richtige Herangehensweise wählen.

Vorheriger

Zertifikat Loyale Führung (IHK) wird von ESFplus gefördert

Deutschlands einzige Qualifizierung für eine loyale Führungskultur – zertifiziert von der IHK Hannover und ausschließlich bei loyalworks® erhältlich -...
mehr erfahren
Nächstes

Psychologische Sicherheit als Basis für Loyalität im Unternehmen

Wo psychologische Sicherheit herrscht, kann Loyalität leicht gedeihen. In so einem unterstützenden Umfeld können Ängste überwunden und positive Lernzi...
mehr erfahren