Wie kann Kommunikation die Prozesse von Gesundheitsdienstleistern verbessern?

Stefan Burghardt studierte BWL und Jura und startete seinen beruflichen Werdegang bei PricewaterhouseCoopers (PwC), einem internationalen Wirtschaftsprüfungs- und Wirtschaftsberatungsunternehmen. Nach seinem Wechsel zur amedes-Gruppe, einem medizinisch diagnostischen Unternehmen mit über 3.500 Mitarbeitern in Deutschland, baute er die Bereiche Personal und Recht auf und leitete diese. Der Aufbau und die Verbesserung von nachhaltigen Prozess- und Organisationsstrukturen gehörten zu seinen Aufgaben, bis er Ende 2017 aus dem 4-köpfigen Geschäftsleitungsgremium der amedes-Gruppe ausstieg. 2018 gründete er mit der Burghardt Consulting GmbH sein eigenes Beratungsunternehmen und mit RKM medic seine eigene Anwaltskanzlei. Beide Unternehmen sind auf die Beratung von medizinischen Unternehmen und Berufen spezialisiert. Die enge Verzahnung beider Unternehmen, die Kenntnisse aus der Gestaltung von internen Unternehmensstrukturen sowie die Branchenexpertise sind die Basis für eine gute Beratung seiner Mandanten.
 

In der medizinischen Versorgung kennt man es schon: Es kommen zu wenige Lösungsanbieter auf zu viele Patienten. An welchen Strukturen mangelt es in Ihren Augen am meisten?


Die medizinische Versorgung ist stark geprägt von zahlreichen regulatorischen Vorgaben. Durch gesetzliche Regelungen und Richtlinien wird zum Beispiel für die Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten vorgegeben, wie viele Ärzte bzw. Krankenhausbetten für welche Fachrichtungen in einzelnen Regionen vorhanden sein müssen. Inwieweit diese Rahmenbedingungen geeignet sind, um eine gute und gebietsabdeckende medizinische Versorgung zu erreichen, ist fraglich.


Es ist festzustellen, dass es in weiten Teilen an verbindlichen Vorgaben fehlt, wie die intersektorale Kommunikation zwischen den einzelnen medizinischen Versorgern und auch Pflegeunternehmen ausgestaltet werden soll. Diese Unsicherheit oder Unklarheit führt dazu, dass viele medizinische Versorger dazu übergehen, individuelle Lösungen zu entwickeln. Das führt in einem hohen Maß zu an sich vermeidbaren Ineffizienzen und Komplexitäten. 


Lassen Sie mich meine Aussage anhand der Patientenüberleitung vom Krankenhaus in die ambulante oder stationäre Pflege verdeutlichen. Jedes Krankenhaus und jeder Pflegedienst verwendet aktuell einen individuellen Überleitungsbogen, da es keine verbindlichen Vorgaben für dessen Gestaltung gibt. Da ein Krankenhaus in der Regel mit mehreren Pflegediensten zusammenarbeitet und ein Pflegedienst wieder mit mehreren Krankenhäusern müssen sich die für die Überleitung zuständigen Mitarbeiter mit einer Vielzahl von verschiedenen Überleitungsbögen herumschlagen. Das kostet Zeit und Geld und kann nicht im Interesse der Patientenversorgung sein.


Wie sollte vorgegangen werden, um die Gesundheitsversorgung generell zu verbessern?


Für eine verbesserte Kommunikation sehe ich mehrere Ansatzpunkte: Zum Einen sollten die medizinischen Unternehmen ihre internen Prozesse und Abläufe durch den Einsatz von digitalen Werkzeugen weiter optimieren. So können die vorhandenen Mitarbeiter effizienter für die Patientenversorgung eingesetzt werden und müssen ihre Zeit nicht mit der Bewältigung von ineffizienten Abläufen und Strukturen vergeuden. 

Zum Anderen muss die Digitalisierung der intersektoralen Schnittstellen weiter vorangetrieben werden, denn die Digitalisierung hört nicht an der eigenen Ausgangstür auf. Um unnötige Komplexitäten zu vermeiden, bedarf es zur Orientierung der Vorgabe von einheitlichen Rahmenbedingungen. Hier kann viel von der Labormedizin gelernt werden. Denn dort gibt es nicht nur seit Jahren verschiedene digitale Lösungen, wie Labore mit ihren ärztlichen Einsendern kommunizieren, sondern auch gesetzliche Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung von Formularen, die für die intersektorale Kommunikation verwendet werden.

Des Weiteren ist es wichtig, den Patienten ausreichend zu informieren. Hierfür reicht es meines Erachtens nicht, ihm nur die Hoheit seiner Gesundheitsdaten zu überlassen. Vielmehr sollte er Diagnosen und Therapieempfehlungen besser inhaltlich verstehen können.


Welche Kommunikationsinstrumente und –wege sind dafür aus Ihrer Sicht unerlässlich?


Das Ziel muss es sein, die bestmögliche Patientenversorgung unter Einsatz der vorhandenen Möglichkeiten zu gewährleisten. Das wichtige Arzt-Patientengespräch ist unerlässlich und steht im Mittelpunkt. Das bedeutet, dass der Arzt dafür ausreichend Zeit haben muss.

Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, muss die effiziente Gestaltung von Prozessen und Strukturen innerhalb von medizinischen Unternehmen, aber auch zwischen den Unternehmen, weiter vorangebracht werden. Das kann der Einsatz von digitalen Tools und Methoden sein. Aber fast noch wichtiger erscheint mir das konsequente Hinterfragen von vorhandenen Strukturen und Prozesse im Unternehmen. Ich empfehle immer, zunächst kritisch die bestehenden Strukturen und Arbeitsabläufe auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Denn die Digitalisierung von ineffizienten Strukturen ist nicht zielführend. 


Welche Schritte sind nach Ihrem Ermessen zwingend erforderlich, um die Gesundheitskommunikation nachhaltig zu verbessern?


Nach meiner Einschätzung stehen wir erst am Anfang der Entwicklung zu einer effizienten Gesundheitskommunikation. Ich sehe hier viel Potenzial. Es gibt nach meiner Einschätzung viele kluge Ideen und Ansätze. Weitere Einflussfaktoren werden die Schaffung von einheitlichen Rahmenbedingungen und die fortschreitende Konsolidierung im Gesundheitsmarkt sein. 


Allerdings: Die Verbesserung der Gesundheitskommunikation wird uns im Zuge der Digitalisierung nur gelingen, wenn auch die notwendige Infrastruktur zur Verfügung steht. Wie kann es in der heutigen Zeit sein, dass man in Großstädten noch mit Funklöchern zu kämpfen hat und in ländlichen Gebieten teilweise gar nicht erreichbar ist? Daher muss der Breitbandausbau in Deutschland vorangetrieben werden, um die Potenziale einer effizienten Gesundheitskommunikation zukünftig ausschöpfen zu können. 

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