Das Home Office polarisiert sehr!

Ende August habe ich einen Blogartikel mit dem provokanten Titel „Die Home Office Lüge“ veröffentlicht. Darin vertrete ich die These, dass ich den aktuell betriebenen Ausbau von Home Offices infolge der Corona-Pandemie für übertrieben halte und pflichte Thomas Knüver bei, der prognostiziert, dass das Thema als einer der großen Managementfehler in die Geschichte eingehen wird. Denn neuerdings wird das Home Office von oben verordnet –die betroffenen Arbeitnehmer sind plötzlich nicht mehr nur diejenigen, die schon vorher nach mehr Flexibilität gerufen haben, sondern heute werden alle aktiv miteinbezogen, deren Arbeitsplatz dies erlaubt. Das hat zum Teil dramatische Folgen. Ich drückte es radikal aus: Home Office (zer-)stört die Motivation, schadet der Gesundheit, der Unternehmenskultur und der Karriere. Mitarbeiter aus der Ferne einzustellen, einzuarbeiten und zu binden wird vielerorts ein sicheres Desaster – ich wünsche mir dazu die eine oder andere Rückmeldung von Ihnen, welche Erfahrungen Sie tatsächlich machen. Ich glaube, dass das Home Office grundsätzlich eine gute Ergänzung zur Präsenzarbeit sein kann, wenn sich beide Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – einig sind und das Home Office nicht als von oben angeordnete Maßnahme aufgezwungen wird. Denn hier kommen Versicherungen, Betriebsärzte und Qualitätsmanager hinsichtlich Arbeitsplatzsicherheit, Datenschutz, usw. kaum hinterher und wo es keine Regeln gibt, werden aktuell die Augen zugekniffen.

 

Wohl noch nie habe ich so viele und so extrem unterschiedliche Reaktionen auf einen Artikel bekommen. Das Home Office polarisiert sehr – das zeigt mir: Wir müssen viel mehr darüber reden, wie sich unser Arbeitsleben verändert, uns die Veränderungen aktiv bewusst machen und klare Handlungsoptionen für alle Beteiligten ableiten.

 

Einige von Ihren Reaktionen möchte ich hier – minimal redaktionell bearbeitet – in etwas gekürzter Form wiedergeben:

 

Ronny Wagner schrieb mir: „Ich stimme Ihnen zu 100% zu! Meiner Meinung nach müssen beide Arbeitsmodelle zusammengeführt werden, um für Arbeitnehmer und Arbeitgeber den größtmöglichen Benefit zu ermöglichen. Das bedeutet, es muss am Ende eine Kombinationslösung sein, in der der Arbeitnehmer ca. 3 Arbeitstage am Arbeitsplatz und 2 Arbeitstage im Home Office arbeitet. Eventuell kann sich der Arbeitnehmer die Tage flexibel aussuchen, je nach Tätigkeitsfeld & Branche. Der Arbeitgeber hat den Vorteil, eine geringere Bürofläche vorhalten zu müssen und der Arbeitnehmer erhält eine gewisse Flexibilität, um Beruf und Privatleben besser vereinbaren zu können. Zusätzlich sollten sich die von Ihnen aufgezeigten Risiken eher reduzieren.“

 

Und auch Bernhard Keel pflichtet mir bei: „Bestimmte Arbeiten mache ich lieber im Home Office, gerne auch nachts oder an Wochenenden. Und doch schätze ich mein Büro, möchte es nicht missen. Das Soziale, Zugehörigkeit, Nestwärme und die Umgebung spielen hier eine zentrale Rolle. Auch habe ich mehr Werkzeuge im Büro als zuhause; ganz abgesehen vom Gruppendruck, der Vorbildfunktion, dem Lernen voneinander durch ungewolltes Zuhören, Beobachten, gegenseitigem Austausch und anderem mehr. Home Office über alles? Nein, doch in Ergänzung zum Büroarbeitsplatz eine gute Sache.“

 

Auch Marco Feltmann weist darauf hin, dass ihm „das unbeschwerte ,Quadratschädeln’ in der Firmenküche“ fehlt. „Dabei lenkt es das Gehirn vom Fokus weg und hilft damit frühzeitig zu erkennen, dass ich gerade bei einem Lösungsansatz für ein Problem in die komplett falsche Richtung renne.

Ich persönlich hasse Home Office. Da ich keine Kinder habe, fehlt mir der Indikator für ,Feierabend’. Im Home Office leiste ich unbemerkt Überstunden – mitunter außerhalb der gesetzlich zugelassenen Grenzen. Ist die Aufgabe sinnvoll, dann ist Selbstmotivation keine Frage. Eher müssen mich drei Leute daran erinnern, dass ich trotz Kurzarbeit seit 10 Stunden arbeite.

Aktuell ist mein elektrisch höhenverstellbarer Privatschreibtisch ergonomischer als das Standardmodell im Unternehmen, da ich hier unkompliziert selbst entscheiden kann, was ich mir anschaffe.

Aus dem Home Office rede ich mehr und qualifizierter mit meinen Kollegen und Vorgesetzten über Teams als im Unternehmen am Schreibtisch. Da niemand einfach reinplatzt, findet die Kommunikation immer so statt, dass alle Beteiligten sich darauf voll einlassen können. Private Weiterbildung sowie die Teilnahme an Konferenzen (auch als Speaker) haben für mich einen weit größeren Vernetzungseffekt als das tägliche ,Moin’ im Unternehmen.


Jedenfalls gibt es viele Unternehmen, die zwar Teamwork predigen, aber deren ,Teams’ nur Menschen sind, die zufällig im selben Raum sitzen. Da greift die Prognose dann nur noch bedingt. Das sterile Umfeld wird durch ,Wechselarbeitsplätze’ bereits stark gefördert. Im aktuellen Umfeld wird aus einem nicht besetzten Schreibtisch je nach aktueller Notwendigkeit schnell ein Konfigurationsplatz oder eine Packstation. Das fühlt sich wirklich mies an. Die Isolierung und Parzellierung findet in größeren Unternehmen allerdings genauso auch mit Anwesenheitspflicht statt. Ob das jetzt durchs Home Office gefördert wird oder die Mitarbeiter lernen, dass es auf sie ankommt und nicht auf den Schreibtisch, kann ich nicht beurteilen. Bei mir war es eher Letzteres.

Dem Fazit des Rollierens mit Ausnahmeregelung stimme ich zu. Handwerker muss kommen? Dann kann ich auch zu Hause arbeiten und die Unterbrechung als Pause werten. Migräneattacke überfällt mich? Dann kann ich mich auch ein paar Stunden ins Bett legen und meine Arbeit auf die Nachtstunden danach verlagern statt ganz auszufallen.“

 

Marco Feltmann hat mich auch auf die Unterscheidung nach Führungs-Typ X und Y (nach Douglas McGregor) hingewiesen: verschiedene Persönlichkeitstypen, die verschiedene Menschenbilder pflegen. So glaubt der X-Typ, dass Menschen eigentlich gar nicht arbeiten wollen und deshalb Druck brauchen, stramm gelenkt, geführt und mit besonderen Anreizen motiviert werden müssen. Mitarbeiter würden Verantwortung und Selbstständigkeit scheuen und sich nur anstrengen, um materielle Sicherheit zu erlangen. Deswegen müsse er sehr genau angeleitet und kontrolliert werden. Das macht es schwer, Vertrauen aufzubauen und den Kollegen authentisch auf Augenhöhe zu begegnen. Damit einher geht oft ein Faible für Mikromanagement.

Auf der anderen Seite steht der Y-Typ, der an „das Gute“ im Mitarbeiter glaubt: Dieser sei von Natur aus leistungsbereit und aus sich selbst heraus motiviert. Da sich die Mitarbeiter mit den Zielen und Werten des Unternehmens identifizieren, sind externe Kontrollen und Anreize überflüssig. Das Vertrauen der Führungskraft ist die beste Motivation für die Mitarbeiter. Daher übernehmen diese gerne Verantwortung, entwickeln eigene Initiativen und können auch Probleme eigenständig lösen.

 

Genau an diesem Y-Typ arbeite ich mit meiner Vision von loyalworks®, denn letztlich steckt nichts anderes hinter diesem Konzept als ein loyaler Führungsstil. Marco Feltmann kritisiert jedenfalls, dass mein Artikel zur „Home Office-Lüge“ ausschließlich den X-Typus der Arbeitnehmer bzw. Vorgesetzten beleuchtet. Für Y-Typen träfen meine Thesen absolut nicht zu „und fühlen sich wie eine persönliche Beleidigung an“. Das war nicht mein Ziel. Leider gibt es allerdings sehr viele X-geprägte Menschen. Mit ihnen ist ein Wandel zum Home Office, oder, wenn man so will, zur loyalen Führung, nur schrittweise erreichbar.

 

In eine ähnliche Richtung geht auch die Zuschrift von Robert Bayer: „Wesentliche Voraussetzung für Home Office ist nicht die Technik, sondern die Fähigkeit zur Selbstorganisation. Wurde diese durch permanentes hierarchisches ,Bemuttern’ der Führungskräfte bisher unterbunden, braucht man sich über unselbständige Mitarbeiter im Home Office nicht wundern. [...] Die Entwicklung eines Unternehmens aus hierarchischen Linienorganisationen hin zu agilen und eigenverantwortlichen Teams, die auch in dezentraler Zusammenarbeit funktionieren, bedarf Zeit und einer Vielzahl von Veränderungen in der Arbeitsweise. [...]“

 

Robert Bayer weist darüber hinaus auf einen ganz wichtigen und bisher viel zu wenig beachteten Aspekt hin: Nicht jeder verfügt über die räumlichen Voraussetzungen zum Home Office in seinem Wohnumfeld. „Hier sind u.a. auch die Arbeitgeber gefordert – z.B. durch Zuschüsse zu den Wohnkosten – diesen zusätzlichen Raumbedarf des Mitarbeiters zu ermöglichen.“

 

Danny Graf dankte mir für meine Sichtweise, denn als er vor einigen Wochen in einer Videokonferenz unter 20 Kollegen etwas Ähnliches gesagt habe, wurde er „dafür fast gesteinigt“. Er kommt zu dem Schluss: „Es lässt sich nicht jeder wichtige menschliche Kontakt digitalisieren, mit der Erwartung, dass persönliche Entwicklungen und die Begleitung dabei von Mentoren zu einem identischen Ergebnis führen wie die intensive, gemeinsame Arbeit. Die Technik gäbe es her, Büroarbeit abzuschaffen – wer das aber tatsächlich anstrebt, darin die Zukunft sieht oder um sich den Anstrich eines Vorreiters für die Möglichkeiten der Digitalisierung zu geben, der denkt zu kurz.“

 

Auch Hatice Özmen dankte mir für meine offenen Worte: „All das zu lesen, was man sich seit mehreren Wochen schon gedacht hat, es aber in den virtuellen Besprechungen nie angesprochen wurde, dieses Gefühl war einfach unbeschreiblich! Danke dafür! Ich dachte mir schon: ,Bin ich denn die einzige, die so denkt? Sehen denn alle anderen die Nachteile des Home Offices nicht? Sieht jeder nur die eigene Bequemlichkeit?’ Zum ersten Mal habe ich so eine ehrliche und kritische Meinung über das Thema Home Office gelesen. Denn es wurde ständig und auch in den virtuellen Umfragen innerhalb unseres Unternehmens verdeutlicht, dass mehr als die Hälfte mit der aktuellen Situation durchaus zufrieden ist.

Für mich ist das nicht zu erklären. Ganz ehrlich – was sich eben viele nicht mal selbst trauen einzugestehen: Mir fällt es extrem schwer, mich jeden Tag erneut zu motivieren, den Teamzusammenhalt zu pushen (als Projektleiterin) und weiterhin konzentriert 8 Stunden an meinen Tätigkeiten zu sitzen – ohne ein einziges Mal direkten Kollegenkontakt zu haben und diesen in die Augen zu sehen. Wo bleibt da die Persönlichkeit? Wo bleibt der soziale Umgang? Diese Faktoren sind wesentliche Treiber bei der Umsetzung von Aufgaben. Verleugne es wer wolle.

Wir sind Rudelwesen. Für die meisten kann diese Arbeitsweise auf Dauer nicht gut tun. Kann ich nicht glauben. Ich bin schon in meiner Studienzeit diejenige gewesen, die sich in der Bibliothek durch die anderen Studenten antreiben lassen hat: Die Stille – das motivierte und zielgerichtete Lernen – alle tun es – du musst dich der Gruppe anpassen und dasselbe tun – nur dann wirst du auch erfolgreich und ,überleben’, deine Prüfungen bestehen. Wenn genau dieser ,Antreiber’ herausfällt, dann werden die ,Schwächeren’ niemals mithalten können und werden aus dem „System“ viel schneller herausfallen. Am Ende bleiben tatsächlich nur noch die ,Besten’ übrig.“

 

Mirko Bär hat mir geschrieben: „Meine Führungserfahrung hat mir gezeigt, dass sich auch auf virtuellem Wege Teams führen und leiten lassen. Auch Hierarchien lassen sich problemlos umsetzen und werden von allen gelebt, zumindest nicht signifikant anders als im ,echten Leben’. Selbiges gilt auch für Karrieren, nur eben auf anderem Wege. Meines Erachtens haben wir durch das Home Office sogar die Möglichkeit, Pfeifen und Blender zu eliminieren, weil zukünftig nur noch das Geleistete zählt und die ganzen Schaumschläger und Polarisierer keine Lobby mehr finden und dadurch die Unternehmenskultur negativ beeinflussen. Nur die erzielten Ergebnisse werden der Karriere förderlich sein und in Online-Meetings findet man auch genug Zeit für ,persönlichen’ Kontakt zum Mitarbeiter / zum Team. Wie sonst erklären Sie sich den Erfolg von Datingseiten und Chatrooms?

Schauen Sie sich die Gemeinschaft der Online-Spieler mal an, hier funktioniert alles was Sie in Ihrem Artikel schlechtreden, einwandfrei und dies schon seit 1999 (in Chats und Foren sogar noch länger). Ist es nicht genau diese Generation, welche gerade Führungspositionen bekommt, Teams leiten oder Mitarbeiter anlernen / ausbilden? Ist es nicht genau die darauf folgende Generation, welche da hineingeboren wurde und alles schon von Grund auf gelernt hat?

Einen Mitarbeiter zu motivieren ist sicherlich online schwieriger (bzw. einfach nur anders) als im Büro, jedoch sollte man sich als Führungskraft fragen: ,Wenn ich ständig meine Mitarbeiter motivieren muss, habe ich dann die richtigen Mitarbeiter in meinem Team?’  Umdenken ist angesagt! Zum Thema ,Unternehmenskultur’ kann ich nur sagen: Was man sät, wird man ernten. Wenn ein Unternehmen oder Vorgesetzter präsent, loyal, transparent und ehrlich gegenüber seinen Mitarbeitern ist, werden diese auch eine entsprechende Unternehmenskultur leben.

Die heutige Technik gibt es her, Projekte und Daten in Echtzeit im Team zu planen und umzusetzen, sicher und mit weltweitem Zugriff zu speichern und ohne Zeitverzug auch Dritten zur Verfügung zu stellen. Man muss sich nur drauf einlassen und dem einen oder anderen Mitarbeiter älteren Semesters etwas helfen. Nichtsdestotrotz bedanke ich mich für Ihren Artikel. Er hat mir in jedem Fall gezeigt, wie falsch man doch liegen kann.“

 

Die mit Abstand längste Rückmeldung kam von Joachim Tiefenthal. Er weist darauf hin, dass der Begriff „Home Office“ eine deutsche Erfindung ist und man im Englischen von vielmehr von Remote Work spricht. Denn nicht jeder arbeitet von zuhause und nicht jeder hat oder braucht ein „Office“. Mit „Fernarbeit“ ergäben sich auch andere Assoziationen als mit „Home Office“. Völlig zurecht weist er darauf hin, dass viele Jobs einfach nicht aus der Ferne erledigt werden können: „Fabrikarbeiter, Bus- und Taxifahrer, Angestellte im Bereich Hotellerie und Gastronomie, Krankenschwestern, Altenpfleger, Ärzte, Feuerwehrleute oder Polizei. Die Liste ist lang.“


Einen guten Vergleich zieht er zum Online-Shopping: „Viele haben die Vorzüge des bequemen Shoppings im Netz für sich entdeckt und nun wundern sich alle, warum es in den Innenstädten keine schönen Geschäfte mehr gibt. Wenn wir uns zunehmend die Digitalisierung unserer Lebenswelten auf die Fahnen schreiben, dann müssen wir nicht nur die Kompetenzen dazu erlangen, sondern auch über die Neu-Organisation von Arbeit nachdenken. Und dabei muss man auch den Gedanken zulassen, dass (große) Bürokomplexe mit mehr oder weniger fleißigen Bienchen, die mehr oder weniger pünktlich ein- und ausfliegen, nicht unbedingt die Zukunft sein werden. Im Zweifel wird die effizienzgetriebene Ökonomie gar nichts anderes zulassen, als sukzessiv infrage zu stellen, ob großflächiger Büroraum in Innenstadtlagen existenziell für das Geschäftsmodell notwendig ist. Es wird vermutlich dann eher so sein, dass die Anpassungsfähigkeit darin besteht, persönliche wie videobasierte Treffen mit Kolleginnen und Kollegen sowie Kunden effektiv und effizient selbst zu organisieren, um den Job gut machen zu können.Auch der Deutschlandfunk beschäftigt sich damit, wie die Verlagerung der Arbeit ins Home-Office und ausbleibende Pendlerströme unsere Städte verändert.

 

Auch Joachim Tiefenthal zählt zahlreiche Vorteile von Remote Work auf:  „Gewonnene Freizeit aufgrund weniger Fahrtzeit von und zur Arbeit, geringeres Stressempfinden, freiere Zeiteinteilung und verbesserte Luftwerte sind durchaus gewichtige Argumente für ,neue’ Arbeitsmodelle. Die Basis dieser ,neuen’ Arbeitsorganisation stellt sicherlich einen hohen Anspruch an alle an ihr Beteiligten. Denn sie gründet auf Vertrauen, Eigenverantwortung, Transparenz, Respekt und Offenheit. Auf den ersten schnellen Blick sind dies alles Werte, die sich unabhängig von einer Pandemie auch sonst ganz gut machen und Platz in jeder gut schriftlich ausformulierten Unternehmenskultur finden, die aber nicht selten leider nicht gelebt wird.“


Auf meine Einwände gegen das Home Office – Zerstörung von Motivation, Gesundheitsschädigung, potenzielle Karriereknicks, Recruiting-Desaster oder Schädigung der Unternehmenskultur – entgegnet Joachim Tiefenthal, ob nicht starre Konzernstrukturen eher demotivieren, krankmachen oder Mitarbeiter stagnieren lassen. „Und Büros, in denen man Fotos aufhängt, Erinnerungen und Blümchen aufstellt, die sterben im Zuge zunehmend agiler Arbeitsmethoden ohnehin sukzessiv aus. Da gibt es dann Freiraum mit Docking Stations. Und die Plätze, die frei sind, die werden genutzt. Heute von dem, morgen von einem anderen.“

 

„Am Ende zählt, welche Arbeit wie am effizientesten verrichtet werden kann. Und dazu brauchte es schon immer motivierte, eigenverantwortliche Menschen, denen man Vertrauen schenkt und die es dann mit engagierten Leistungen zurückgezahlt haben. Je mehr man die Menschen aber in ihren Handlungs- und Gestaltungsspielräumen eingeschränkt, sie in hierarchische Strukturen gepresst und damit ihrer Verantwortung entbunden hat, desto mehr mussten Anstrengungen unternommen werden, sie wieder zu motivieren und an außerordentliche Leistungen heranzuführen.“

 

Ein Mann, dessen Rückmeldung ich zu seinem Zitat nicht nicht erhalten habe, schreibt aus dem Home Office: „Home Office macht einsam. Es schneidet von tradierten Kommunikationsstrukturen ab. Und nicht alles möchte man über Chatboxen, E-Mails etc. austauschen. Abgesehen davon, erlebe ich persönlich einen Mehraufwand an Kommunikation, denn das was man schnell, bilateral, bei einem kurzen Schnack im Nachbarbüro oder direkt mit den Kollegen hätte lösen können, muss aufgeschrieben, versendet und von der Gegenstelle gelesen und beantwortet werden. Formuliere ich nicht präzise genug, reicht nicht der Blick in das verdutzte Gesicht, es provoziert zeitraubende Gegenfragen. Quasi ,lost in translation’.“ Gleichzeitig sei er froh, Home Office als Alternative zu Kurzarbeit zu haben.

 

Aus Sicht des Unternehmers zeigt er gewissermaßen Verständnis, warnt aber vor den Folgen: Durch das komplette Verlagern ins Home Office spart der Arbeitgeber Geld, denn „die technische Aufrüstung eines Mitarbeiters zur Home Office-Tauglichkeit ist sogar schon kurzfristig billiger als Büromieten und ich kann sofort meine betrieblichen Abschreibungen hochfahren. Separiere ich Mitarbeiter voneinander, erodiere ich auch deren Zusammenhalt, und das spart mittel- und langfristig Lohnkosten. Ich kann mich leichter aus Tarifbindungen schleichen. Den Faden kann man sicher leicht noch weiterspinnen.“

 

Es scheint sehr von den Kollegen abzuhängen, wie sinnvoll das Home Office empfunden wird. Das zeigt eine Frau, die hier nicht namentlich genannt werden möchte. Sie schrieb mir, dass sie im Home Office viel entspannter sei, weil die permanenten Störungen wegfallen. Nur mit sehr wenigen der Menschen, mit denen ich den Großteil meiner Lebenszeit vor Corona in der Firma verbracht habe, würde sie privat Kontakt haben. Man verbringe so viel Zeit unter der Woche mit eher unsympathischen und unpassenden Menschen (...). Das führte bei ihr stets dazu, am Freitag völlig ausgelaugt zu sein. Nach dieser Wahrnehmung ist nachzuvollziehen, dass sie es für völligen Blödsinn hält, dass die Anwesenheit in der Firma ein ,Wir’-Gefühl und bessere Produktivität zur Folge hat. Ihrer Meinung nach stelle die Führungskraft Mitarbeiter ein und richte sich nach dem einzigen Kriterium, ob der Kandidat die Aufgaben so schafft, so wie die Führungskraft es möchte. Und wenn er nicht ins Team passe?: Fehlanzeige! Also könne man auch im Home Office arbeiten und müsse sich nicht mit kräfteraubenden Individuen rumschlagen, mit denen man privat niemals etwas zu tun haben wollte.

 

Auch in Umfragen werden zwei Trends deutlich: Besonders geschätzt wird am Home Office die Ruhe im Vergleich zum Büro – die Ausstattung des heimischen Arbeitsplatzes dagegen wird häufig negativ bewertet. Längerfristig ist produktive Arbeit in den eigenen vier Wänden also nur möglich, wenn aus den behelfsmäßigen Arbeitsplätzen, die überall während der Corona-Hochphase eingerichtet werden mussten, echte Home Offices werden.

 

Aus all den Rückmeldungen lässt sich eins mit Sicherheit sagen: Ein allgemein gültiges Patentrezept für oder gegen das Home Office gibt es nicht. Es hängt von Dutzenden verschiedenen Faktoren ab, ob und für wen Home Office sinnvoll ist: Wie viel anteilige Arbeitszeit ist es möglich, ins Home Office zu verlagern? Besteht zuhause die Möglichkeit, konzentriert zu arbeiten? Bringt der Mitarbeiter genügend Eigenmotivation mit? Hat die Führungskraft Vertrauen in ihn? Wie sehen die Wünsche des Mitarbeiters aus? Kommunikation ist der Schlüssel. Sprechen Sie mit Ihren Leuten und setzen Sie sie nicht vor vollendete Tatsachen. Lassen Sie sich gern von mir beraten.

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